IEEE 802.ax (Wi-Fi 6) oder endlich mehr Datendurchsatz?

Wi-Fi 6 ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. Immer mehr Hersteller von WLAN Infrastruktur und Endgerätehersteller rüsten jetzt ihr Equipment mit den aktuellen Chipsets, die den neuen Wi-Fi 6 Standard unterstützen, aus.

Lohnt es sich jetzt umzusteigen? Was kann man von dem neuen Standard erwarten? In diesem Blog wollen wir darauf eine Antwort geben und die wichtigsten Neuerungen aufzeigen.

Auf nunmehr 682 Seiten ist das neue Standardisierungsdokument der IEEE angewachsen. Wenn man Langeweile hat kann man sich dieser Lektüre widmen. Wir schenken uns das und wollen auf die entscheidenden und wichtigen Punkte des neuen WLAN Standards eingehen.
In den beiden zurückliegenden Standards IEEE 802.11n und IEEE 802.11ac ging es primär darum, die angebotene Datenrate immer weiter zu erhöhen. Dies wurde im wesentlichen dadurch erreicht zusätzliche sogenannte „Spatial Streams“ anzubieten, Kanäle zu bündeln und immer komplexere Modulationsschematas (MCS) anzubieten. In der Praxis zeigte es sich allerdings, daß dadurch der eigentliche Datendurchsatz in Enterprise WLANs nicht wesentlich erhöht werden konnte

Der neue Standard 802.11ax verfolgt grundsätzlich einen anderen Ansatz. Bei den Vorgängerversionen 802.11n/ac drehte sich alles um die Erhöhung der zur Verfügung gestellten Datenraten durch komplexe Modulationsschematas und höhere Kanalbandbreiten – bei 802.11 ax setzt man nunmehr auf eine Erhöhung der effizienten Nutzung der vorhandenen Airtime durch den Einsatz von MU (multi-user) Technologien.
Man kann dies vergleichen mit dem Straßenbau. Hat man in den Vorgängerversionen auf den Ausbau der Straße und immer schnellere Fahrzeuge gesetzt, wechselt man nun die Strategie und versucht den Durchsatz (Verkehrsfluß) durch das Angebot mehrerer paralleler Straßen zu erhöhen, um damit den Stau auf der Straße zu verhindern und den Verkehrsfluß effizienter zu gestalten.

802.11ax: High Efficiency (HE) durch den Einsatz von MU-Technologien

Es ist allgemein bekannt, daß die IEEE 802.11 Datenrate nicht gleichzusetzen ist mit dem erzielbaren TCP Datendurchsatz. Die Nutzung des Mediums (RF) ist begrenzt durch das half-duplex Verfahren (immer nur eine Station oder Client kann senden) und das verwendete CSMA/CA Protokoll mit dem der Zugriff auf das Medium gesteuert wird. Daher ist der erzielbare TCP Datendurchsatz unter Laborbedingungen maximal 60 % der zur Verfügung stehenden Datenrate.
In der Realität ist der erzielbare Durchsatz durch mehrere aktive Clients je AP, die gemeinsam um Airtime konkurrieren, nochmals geringer. Realistisch kann man im Idealfall von einem Durchsatz in der Größenordnung von 50 % der zur Verfügung stehenden Bruttodatenrate ausgehen. Es gibt aber darüberhinaus noch weitere Faktoren, die den Datendurchsatz maßgeblich beeinflussen. Immer wenn ältere (Legacy) Clients noch im Einsatz sind (802.11a/b/g) führt dies zur Ineffizienz, da RTS/CTS Schutzmechanismen eingesetzt werden müssen, um die Kompatibilität mit Legacy Clients zu garantieren. Im realen Einsatz zeigt es sich, dass ca. 60 % der übertragenen Daten aus Control Frames besteht und weitere 15 % aus Management Frames. Damit reduzieren sich die Nutzerdaten auf ca. 25 % des gesamten WLAN Datenverkehrs. Zusätzlich führen Layer 2 Retransmissions – verursacht durch ein mangelhaftes WLAN Design – zu einer weiteren Verringerung des Datendurchsatzes. Hohe Datenraten sind nur nützlich wenn die übertragene Datenmenge (Payload) groß ist. Allerdings zeigt es sich in der
Praxis, dass der Großteil der übertragenen Daten klein und unter 256 Byte groß sind.

Praxisnahe Messungen haben ergeben:

  • 80 % kleinerals 256 Byte
  • 15 % mehr als 512 Bytes
  • 5 % mehr als 1024 Bytes

IEEE 802.11ax (Wi-Fi 6) Neuerungen im Detail

Trotz der hohen Datenraten bei 802.11n/ac ändert dies nichts an der geringen Effizienz bei der Nutzung der zur Verfügung stehenden Airtime. Daher hat man nun mit dem aktuellen neuen Standard 802.11ax einen anderen Weg beschritten, um die Effizeinz zu erhöhen. Im Folgenden möchte ich daher beschreiben mit welchen Technologien dies erreicht werden soll. Dabei steht die gleichzeitige Übertragung von Nutzerdaten zwischen AP und Client – sowohl im Uplink als auch im Downlink – im Mittelpunkt. Umgesetzt wird dies durch die Einführung einer neuen Technologie OFDMA und die Optimierung einer breits eingesetzten Technologie MU-MIMO.

  • OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access)
    OFDMA unterteilt den jeweiligen Kanal (z. B. 20 MHz Bandbreite) in kleinere Frequenzbereiche, den sog. RU (Resource Unit). Ein 20 MHz Kanal kann dabei in bis zu 9 RU unterteilt werden, die gleichzeitig nutzbar sind. Diese RU können nun verschiedenen Clients zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich können auch RU kombiniert werden, um Clients mit höherem Datenaufkommen mehr Bandbreite zur Verfügung stellen zu können. Diese Technologie steht sowohl im Downlink als auch im Uplink zur Verfügung. Durch Einsatz von OFDMA kann daher sehr granular auf die unterschiedlichen Datenübertragungen der verschiedenen Clients eingegangen werden. Besonders effizient ist diese Technologie wenn kleinere Datenmengen (Payload) übertragen werden müssen.
    (Bei OFDMA handelt es sich dem Grunde nach nicht um eine wirklich neue Technologie, da diese bereits seit Jahren im Bersiche LTE Cellular Radio zum Einsatz kommt)
  • MU-MIMO (Multi User Multiple Input Multiple Output)
    Dieses Verfahren wurde bereits in der zweiten Generation der 802.11ac APs vorgestellt. Auf dem Papier erscheint diese Technik durchaus vielversprechend – im praktischen Einsatz allerdings nicht. Es gibt nur sehr wenig Clients, die MU-MIMO implementiert haben. MU-MIMO benötigt räumlich getrennte Datenströme (spatial diversity). Das bedeutet eine räumliche Entfernung der Clients. Das ist in Enterprise Umgebungen mit hohen Client-Dichten nicht wirklich realisierbar. Weiterhin benötigt man für MU-MIMO transmit beamforming (TxBF). TxBF wird realisiert durch Anpassung der Phase und Amplitude der ausgesendeten Datenströme, die unterschiedliche Wege zurücklegen, aber am Empfänger möglichst phasengleich ankommen sollen. Um dies zu gewährleisten werden sogenannte Sounding Frames ausgesendet, die allerdings einen exzessiven Overhead verursachen. MU-MIMO kann bei 802.11ax sowohl im Downlink als auch im Uplink eingesetzt werden. Im praktischen Einsatz kann MU-MIMO bei der Übertragung von großen Datenmengen (Payload) Vorteile bieten und die Effizienz erhöhen. Bei kleiner Payload zeigen sich diese Vorteile allerdings nicht.

    Fazit für die Praxis:
    OFDMA erhöht die Effizienz wenn es sich um die Übertragung von Applikationen mit niedriger Bandbreite handelt (z. B. VoIP), die eine niedrige Latenzzeit benötigen und nur kleine Datenpakete versenden. MU-MIMO ist im Gegensatz bei der Übertragung von Applikationen, die eine hohe Bandbreite benötigen, von Vorteil.
  • BSS Color
    Eine sehr gute bebilderte Beschreibung dieser Technologie findet man unter
    https://www.extremenetworks.com/extreme-networks-blog/how-does-bss-coloring-work-in-802-11ax/
  • TWT (Target Wake Time)
    Hierbei handelt es sich um eine Verbesserung des Power Save Zustand (PS) von Clients. TWT handelt die Zeit zwischen AP und Client aus, in der der Client im PS Zustand verharren kann. Dadurch soll sich die PS Zeit erhöhen und der Client verbraucht geringere Energie. Dies ist besonders bei batteriebetriebenen Handhelds (Scanner, Smartphones, VoIP Phones) und IoT Devices wünschenswert. Gerade IoT Devices werden in Zukunft eine große Verbreitung finden (Gebäudeautomatisierung, Maschinenüberwachung). IoT Devices profitieren von TWT, da diese dann stundenlang im Power Save Modus verharren können und dadurch die Lebensdauer der Batterie erheblich verlängert werden kann.
  • QAM 1024
    Obwohl der Schwerpunkt von 802.11ax auf der Erhöhung der Effizienz liegt, gibt es eine Ausnahme.
    QAM 1024 sendet mit 10 Bits pro Symbol und erhöht die Datenrate gegenüber QAM 256 (8 Bits pro Symbol) um 20 % .
    Um diese hohen Datenraten nutzen zu können ist mindestens ein Störsignalabstand von 35 dB und besser erforderlich. Dies ist in der Realität nur durch Clients erreichbar, die sich in unmittelbatrer Nähe zum AP bewegen. Der Fehlervektor ist bei QAM 1024 sehr klein geworden. Daher benötigen 802.11ax Radios eine sehr gute Empfängerempfindlichkeit und extrem rauscharme HF-Vorstufen. Dies hat mit Sicherheit eine Auswirkung auf den Preis der Access Points.

Zusammenfassung

Für die Einführung des IEEE 802.11ax Standards stand die Erhöhung der Effizienz (HE) im Vordergrund. Dabei sind sich alle Experten einig, daß gerade die Einführung von OFDMA eine der wichtigsten neuen Technologien darstellt. OFDMA sorgt für eine effizientere Nutzung der vorhandenen Kanalbandbreite und ermöglicht darüberhinaus auch die gleichzeitige Uplink Datenübertragung von Clients zu steuern (gilt sowohl für OFDMA als auch MU-MIMO). Target Wake Time (TWT) verbessert insbesondere die Batterielaufzeiten von IoT Devices, die derzeit eine rasante Verbreitung finden. BSS Color verringert den Overhead, der durch half-duplex und das CSMA/CA Verfahren gegeben ist.

Ein Umstieg auf 802.11ax ist nach unserer Meinung empfehlenswert, da immer mehr Clients diesen Standard anbieten (Notebooks, Tablets, Smartphones) und in Zukunft der massive Einsatz von IoT Devices eine große Herausforderung an die Effizienz der WLAN Netzwerke stellen wird und damit ältere WLAN- Implementierungen diesen Herausforderungen nicht mehr gewachsen sein werden.

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